
Hintergrund
10. Oktober 2025 (aus: Kürzungen: Versorgung traumatisierter Geflüchteter vor dem Kollaps - BAfF-Zentren)
Kürzungen: Versorgung traumatisierter Geflüchteter vor dem Kollaps
Pressemitteilung, 10.10.205
Die Psychosozialen Zentren für Geflüchtete (PSZ) stehen vor dem Kollaps: 2026 drohen massive Kürzungen bei zwei zentralen Finanzierungsquellen – den Bundesmitteln aus dem Familienministerium und den EU-Mitteln, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verwaltet. Ohne Sofortmaßnahmen wird ab Januar an einigen der 51 Standorte bis zu 60 % des Fachpersonals entlassen. Aufgrund einer neuen Verteilsystematik für EU-Fördergelder werden ärmere, strukturschwache Regionen besonders betroffen sein.
Die BAfF veröffentlicht dazu heute ein umfassendes Policy Paper zur Analyse der aktuellen Finanzierungsstruktur – einschließlich konkreter Handlungsempfehlungen, die Bund und Länder jetzt umsetzen müssen. Parallel starten die 51 Psychosozialen Zentren, anlässlich des Tags der psychischen Gesundheit, die Kampagne #PSZsichern. Bis zum Abschluss der Haushaltsberatungen im November machen sie mit Einzelfällen aus der Arbeit vor Ort sichtbar, was es für traumatisierte Geflüchtete bedeutet, wenn ihre Therapie- und Beratungsangebote wegbrechen.
Welche Kürzungen sind angekündigt?
Die Finanzierung der Psychosozialen Versorgung durch den Bund soll um 41 % auf nur noch 7,1 Millionen Euro gekürzt werden. Bei etwa 990.000 Geflüchteten mit psychischen Erkrankungen in Deutschland beteiligt sich der Bund mit diesen Mitteln also nur mit 7,20 € pro Kopf an ihrer Versorgung. Insgesamt könnten durch diese Mittel nur noch 0,5 % der potenziell betroffenen Personen versorgt werden.
Gleichzeitig liegen auch die EU-Mittel zur psychosozialen Versorgung Geflüchteter für die kommenden Jahre rund 30 % unter der Summe, die alle 51 Einrichtungen bundesweit beantragen müssten, um ihre Versorgungsstrukturen aufrechtzuerhalten. Besonders dramatisch ist, dass Fördermittel künftig – ohne dass dies seitens der Europäischen Kommission vorgeschrieben wäre – nicht mehr nach Bedarf und Qualität der Angebote an psychosoziale Einrichtungen vergeben werden, sondern nach Königsteiner Schlüssel an die Bundesländer verteilt werden. Dieser Schlüssel gilt auch Analysen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zufolge als ungeeignet zur Steuerung sozialer Programme, da er ärmere Regionen benachteiligt.
Handlungsbedarf: Weder Gesundheitssystem noch PSZ können Finanzierungslücke auffangen
Durch die Kürzungen drohen bundesweit Aufnahmestopps und Therapieabbrüche. Die Wartelisten der verbleibenden Einrichtungen werden ins Unerträgliche wachsen, Erkrankungen chronifizieren, Krisen werden sich zuspitzen und die Versorgungslast verschiebt sich in den akutstationären Bereich, also die Notaufnahmen der Kliniken.
“Viele von uns haben erlebt, wie Klient*innen durch die Hilfe der Psychosozialen Zentren erstmals wieder Hoffnung fassen: Hoffnung darauf, dass ihre Überlebenskämpfe gesehen werden und das Unrecht, das sie erfahren haben, als falsch anerkannt wird. Für manche bedeutet das: endlich wieder schlafen können. Für andere: Vertrauen in Menschen und in Institutionen. All das ist kein Luxus — es ist überlebensnotwendig”, so Larissa Kunze, BAfF-Referentin, zur Bedeutung der Arbeit in den PSZ.
Da Geflüchtete in Deutschland durch das Asylbewerberleistungsgesetz keinen vollen Zugang zum Gesundheitssystem haben, können die Lücken auch nicht durch das reguläre psychotherapeutische Versorgungssystem aufgefangen werden. Die PSZ sind die einzigen spezialisierten Einrichtungen für schwer traumatisierte Geflüchtete. Sie versorgen jährlich 30.000 Klient*innen – und decken damit schon heute nur 3,1 % des Bedarfs.
„Die Bundesregierung spart auf Kosten der Schwächsten und riskiert den Verlust einer unverzichtbaren Infrastruktur“, so Lukas Welz vom PSZ-Bundesverband. „Psychosoziale Zentren sind keine freiwilligen Projekte, sondern Teil der Grundversorgung. Ohne sie bleiben Überlebende von Folter und Krieg ohne Hilfe – mit hohen Folgekosten für das Gesundheitssystem.“
Was jetzt passieren muss: Forderungen der BAfF an Bund und Länder
An den Haushaltsausschuss des Bundestags:
Aufstockung der Bundesmittel auf mindestens 27 Millionen Euro, auch, um eine Überbrückungsfinanzierung für vom Wegfall der AMIF-Mittel betroffene Zentren zu sichern.
An das BAMF und die Vertreter*innen der Länder im AMIF-Begleitausschuss:
Aufstockung der EU-Mittel um 30 %: Da das Gesamtvolumen des AMIF nach Angaben des BAMF verdoppelt wurde, ist eine Aufstockung des psychosozialen Förderschwerpunkts möglich und geboten.
Verteilung der Mittel über Versorgungsbedarf, Qualität und Spezialisierungsgrad statt Königsteiner Schlüssel.
Hier finden Sie eine Zusammenfassung des Policy Papers der BAfF zu den Finanzierungslücken der PSZ:
Und hier finden Sie das komplette Policy Paper:
Unterstützen Sie auch die Instagram-Kampagne #PSZsichern !
Flucht und psychische Erkrankungen:
Ein paar Fakten zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion
Tragische Ereignisse wie zuletzt in Aschaffenburg werden von in der öffentlichen Diskussion in zunehmendem Maße dazu missbraucht, geflüchtete Menschen und Personen, die psychisch erkrankt sind, pauschal unter Generalverdacht zu stellen. Im Psychosozialen Zentrum (PSZ) REFUGIO Thüringen arbeiten wir tagtäglich mit psychisch erkrankten Geflüchteten. Wir möchten daher einige Zusammenhänge erklären und aufzeigen, durch welche Maßnahmen die psychosoziale Versorgung in Deutschland verbessert werden könnte.
1. Psychische Erkrankungen führen nicht automatisch zu Gewalt
Jeder Mensch hat ein 30-prozentiges Risiko, im Laufe seines Lebens psychisch zu erkranken. Menschen, die Gewalt erlebt haben und daher möglicherweise psychisch belastet sind, stellen kein besonderes Risiko dar, sofern sie eine gute Versorgung bekommen.
2. Der Fluchtstatus erklärt keine Gewalttat
Erlebnisse von Folter, Krieg, Menschenrechtsverletzungen und Flucht sowie Rassismuserfahrungen nach dem Ankommen im neuen Land erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Belastung. Doch nicht jede psychische Belastung stellt eine unmittelbare psychische Erkrankung dar oder führt zwingend zu späteren Erkrankungen. Gute akute und auch präventive Versorgung von Geflüchteten erhöht die Sicherheit aller, auch wenn das natürlich nicht der wichtigste und erst recht nicht einzige Grund für eine menschenwürdige Versorgung von geflüchteten Menschen ist.
3. Schlechte Erfahrungen in Deutschland und große Unsicherheit verschärfen das Problem
Pauschale Generalverdächtigungen und die aktuelle öffentliche Diskussion, tätliche Übergriffe, der unsichere Aufenthaltsstatus und lange Asylverfahren, die ständige Sorge vor Abschiebung, Diskriminierungen in vielen Bereich des täglichen Lebens sowie die Sorge um Angehörige im Heimatland erzeugen einen kontinuierlichen Stress, der eine Stabilisierung verhindert.
4. Das PSZ REFUGIO Thüringen leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur psychosozialen Versorgung von Geflüchteten
Die Regelversorgung durch niedergelassene Therapeut*innen ist für geflüchtete Menschen aufgrund von Sprach- und Kulturbarrieren, asylrechtlichen Rahmenbedingungen sowie Finanzierungshindernissen nur schwer zugänglich. Asylbewerber*innen werden in den ersten drei Jahren nur bei akuten Notfällen und Schmerzzuständen behandelt, was Studien zufolge nicht einmal wirtschaftlich für den Staat ist. Das PSZ in Thüringen bietet – wie die anderen im Bundesverband der psychosozialen Zentren BAfF e. V. organisierten Zentren bundesweit – auf diese Zielgruppe maßgeschneiderte psychosoziale Versorgungsangebote.
Wie die psychosoziale Versorgung in Deutschland verbessert werden könnte:
1. Menschen mit psychischen Erkrankungen verdienen besonderen Schutz
Das gilt auch für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die sich in Deutschland aufhalten. Diese Schutzrechte leiten sich aus den internationalen Menschenrechtskonventionen ab und sind im EU-Recht sowie im Grundgesetz verbrieft. Die Bundesländer sind verpflichtet, die Schutzrechte von Geflüchteten mit psychischen Erkrankungen systematisch zu gewährleisten.
2. Psychische Erkrankungen müssen frühzeitig erkannt und behandelt werden
Die Chancen auf Stabilisierung und Heilung sind bei psychischen Erkrankungen umso größer, je früher entsprechende Symptome erkannt und behandelt werden. Daher ist es wichtig, besondere Unterstützungsbedarfe in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften rechtzeitig zu erfassen. Das ist eine staatliche Verpflichtung, die derzeit jedoch – wenn überhaupt – nur in Ansätzen erfüllt wird.
3. Das deutsche Gesundheitssystem für Menschen mit psychischen Erkrankungen muss ausgebaut werden
Die Wartezeit auf einen Platz bei niedergelassenen Therapeut*innen beträgt in Thüringen bis zu zwei Jahre. Das PSZ REFUGIO Thüringen und seine Kooperationspartner*innen können, ähnlich wie die PSZ in den anderen Bundesländern, aktuell immer noch nur weniger als fünf Prozent des potenziellen Versorgungsbedarfs bei den Geflüchteten abdecken. Von einer besseren psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung – vor allem im Regelsystem und auch durch die PSZ – würden alle Menschen in Deutschland profitieren.
4. Resilienz der Geflüchteten stärken
Neben Interventionen bei akuten psychischen Erkrankungen bedarf es, insbesondere in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften, auch niedrigschwelliger Angebote zu Beziehungsaufbau und zur Tagesstrukturierung, um die Resilienz der Geflüchteten zu stärken. Es ist wichtig, derartige Angebote nachhaltig auszubauen. Das PSZ REFUGIO Thüringen unterstützt hierbei, wie andere PSZ, indem es Menschen, die mit Geflüchteten arbeiten, sensibilisiert und schult.
Stand: 20.02.2025
Weiterführende Informationen:
Stellungnahme der BAfF | Artikel CORRECTIV e.V. | Jahresbericht 2023 refugio thüringen e.V.
Jeden Freitag von 16:30 - 18:30 Uhr findet bei REFUGIO das Frauen*SprachCafé statt. Wir trinken Kaffee, essen Kekse, basteln, spielen und unterhalten uns. Alle geflüchteten Frauen* sind herzlich willkommen und können auch gerne ihre eigenen Ideen einbringen.
Ort: Lassallestr. 8, 07743 Jena
Nach der Bekanntgabe des amtlichen Ergebnisses der Landtagswahl in Thüringen hieß es auch für uns kurz innezuhalten und die Ernüchterung, die dennoch nicht überraschend kam, sacken zu lassen. Sorgen, Unsicherheiten und Ängste sind in vielen Gesprächen, nicht nur mit Klient*innen, präsent.
Doch wir entscheiden uns gegen die Ohnmacht und stehen für ein: „Jetzt erst recht!"
Wir, als refugio thüringen e.V., machen weiter wie bisher und stehen unumstößlich an der Seite von Schutzsuchenden. Wir solidarisieren uns mit allen Betroffenen von Rassismus, Antisemitismus und intersektionaler Diskriminierung. Wir positionieren uns klar gegen die rechtspopulistische Stimmungsmache die aktuell den öffentlichen Diskurs dominiert und treten ein für ein #WeltoffenesThüringen – vor und nach dem 01. September 2024.
Zusammenhalt ist wichtiger denn je!
Election results in Thuringia. And now?
After the announcement of the official results of the federal state elections in Thuringia , we also had to pause for a moment and to allow the disillusionment, which nevertheless came as no surprise, to sink in. Worry, uncertainty and fear are present in many conversations, not only with our clients.
But we have decided against powerlessness and stand in favour of: ‘Now more than ever!’
We, as refugio thüringen e.V., will continue as before and stand by the side of those seeking protection. We show solidarity with all those affected by racism, anti-semitism and intersectional discrimination. We take a clear stance against the right-wing populist propaganda that is currently dominating public discourse and stand up for a #WeltoffenesThüringen - before and after 1st september 2024.
Solidarity is more important than ever!
„Meine Lieblingsstadt“
Die Ausstellung „Meine Lieblingsstadt“ entstand im Rahmen eines Malwettbewerbs im Mai 2024 der Volkshochschule (VHS) Erfurt und zeigt die kreativen Werke von Kindern unterschiedlicher Herkunft. In enger Zusammenarbeit mit dem Verein Ukrainischer Landsleute in Thüringen e.V. wurden viele der Bilder in den Kursen der VHS-Malschule geschaffen.
Die Werke spiegeln die persönliche Vorstellung der Kinder von ihren „Lieblingsstädten“ wider. Einige haben die Städte gemalt, in denen sie aufgewachsen sind oder ihre Kindheit gerade erleben. Andere zeigen Orte, die sie gerne besuchen möchten oder von denen sie träumen.
Besonders viele Bilder malten ukrainische Kinder, was durch die enge Zusammenarbeit mit dem Verein Ukrainischer Landsleute in Thüringen e.V. zu erklären ist. Ihre Werke zeigen häufig Städte, die aktuell durch den Krieg in der Ukraine bedroht sind – doch sie sind auch Ausdruck der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft. Gleichzeitig haben viele Kinder thüringische Städte als ihre „Lieblingsstadt“ gewählt. Ein Zeichen dafür, wie sehr sich ihre Verbundenheit mit dieser Region über die letzten Jahre entwickelt hat.
refugio thüringen e.V., ein Verein, der sich für die psychosoziale Versorgung, den Schutz und die Integration von Migrant*innen und Geflüchteten einsetzt, kuratiert diese Ausstellung, da sie auf besondere Weise den Anliegen des Vereins entspricht. Viele der jungen Künstler*innen – ukrainische, deutsche und Kinder anderer Nationen – haben ihre Erfahrungen von Heimat, Migration und Neuorientierung in ihren Werken festgehalten. Deren Kunstwerke reflektieren die Sehnsüchte, Träume und Herausforderungen, die viele von ihnen in ihren jungen Leben bereits erfahren haben.
refugio thüringen e.V. möchte damit auch ein Bewusstsein für die Bedeutung von kreativen Ausdrucksmöglichkeiten als Mittel der Verarbeitung und Verständigung schaffen. Diese Ausstellung verdeutlicht, dass Kunst nicht nur Raum für persönliche Geschichten schafft, sondern auch Brücken zwischen Kulturen und Identitäten baut.
Projektverantwortliche an der VHS Erfurt: Natalya Illarionova
Kuratiert von: refugio thüringen e.V.; Lassallestraße 8, 07743 Jena
Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan retten
Bedrohte afghanische Menschenrechtler*innen dürfen nicht ihrem Schicksal überlassen werden. Das Bundesaufnahmeprogramm und weitere Aufnahmemöglichkeiten müssen fortgesetzt, beschleunigt und ausgeweitet werden. Kapazitäten für zivilgesellschaftliche Unterstützung müssen ausgebaut werden.
Drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban sind Menschen in Afghanistan, die sich dort für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, stärker denn je gefährdet. Menschen, die in allen gesellschaftlichen Bereichen demokratische Werte verbreiteten – etwa als Lehrer*innen, Journalist*innen, Ärzt*innen, Richter*innen, Anwält*innen, Politiker*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und Kulturschaffende – sowie Ortskräfte werden immer stärker verfolgt, willkürlich inhaftiert, gefoltert und hingerichtet. Sie müssen sich unter prekären Bedingungen versteckt halten, um zu überleben.
Für manche Personengruppen ist die Bedrohung besonders akut. Frauen wurden seit der Machtübernahme systematisch aus allen Teilen der Gesellschaft ausgeschlossen. Mädchen ist der Schulbesuch ab der siebten Klasse verboten, Frauen dürfen weder arbeiten noch studieren oder allein das Haus verlassen. Viele sind von Zwangsehen und brutalen Strafen wie sexuellen Misshandlungen in Haft, Auspeitschungen und Steinigungen bedroht. Die „schwerwiegende, systematische und institutionalisierte Diskriminierung gegen Frauen“ durch die Taliban ist eine Art „Gender-Apartheid“. Queere Personen sind sogar als gesamte Gruppe direkt in ihrer Existenz bedroht, weil die Taliban angekündigt haben, diese Menschen durch Folter, Steinigung oder lebendiges Begraben zu vernichten.
Demokratie muss durch Zivilgesellschaft geschützt werden
Wir möchten unsere Solidarität mit den Menschen in Afghanistan, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um demokratische Werte zu verteidigen, ausdrücken. Als zivilgesellschaftliche Organisationen sehen wir es als unsere Pflicht, nicht nur Menschenrechte in Deutschland zu verteidigen, sondern uns auch für diejenigen einzusetzen, die dies in ihrem Land tun. So unterschiedlich die Umstände sind, unter denen wir arbeiten – uns verbindet die gemeinsame Überzeugung, dass ein Leben in Würde für alle erreichbar sein soll. Viele der aktuellen Krisen und Konflikte haben grenzübergreifende Ursachen und müssen deswegen auch grenzübergreifend bearbeitet werden. Gerade am Beispiel Afghanistan lässt sich gut beobachten, welche Folgen drohen, wenn zivilgesellschaftliche Interessen bei der internationalen Zusammenarbeit nicht hinreichend berücksichtigt werden. Es ist fatal, dass das Doha-Abkommen beschlossen wurde, ohne die bereits etablierten Rechte und Freiheiten der afghanischen Bevölkerung zu sichern, obwohl es ein wichtiges Ziel der internationalen Zusammenarbeit war, die Demokratisierung in Afghanistan zu stärken und die Verteidigung der Menschenrechte zu unterstützen. Und obwohl es klar war, dass es dafür unter den Taliban keinen Platz geben würde.
Deutschland hat eine humanitäre Verantwortung
Wenn – wie in Afghanistan – die Lebensbedingungen im eigenen Land zu gefährlich werden, sind Menschen gezwungen, ihr Land zu verlassen. Sie verlassen ihre Heimat und damit die Menschen und Orte, mit und an denen sie ihr Leben bisher aufgebaut hatten. Die Entscheidung, aus dem eigenen Land zu flüchten, wird nie leichtfertig getroffen. Diese Menschen zu schützen, ist eine humanitäre Pflicht Deutschlands. Aufgrund seiner Beteiligung am zwei Jahrzehnte dauernden internationalen
Militäreinsatz in Afghanistan hat Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber gefährdeten Afghan*innen, zu der die Bundesregierung sich im Koalitionsvertrag bekannt hat.
Die zu späten und chaotischen Evakuierungen aus Afghanistan nach dem August 2021 zerstörten zu viele Menschenleben. Weil politische Entscheidungsträger*innen die Einschätzungen von Expert*innen vor Ort nicht ernst genug nahmen. Weil die Länder, die am internationalen Einsatz beteiligt waren – auch Deutschland – ihr Versprechen, ihre Verbündeten nicht im Stich zu lassen, nicht ausreichend einhielten.
Es braucht sichere Fluchtwege für gefährdete Afghan*innen
Wir fordern, dass sichere Fluchtwege für gefährdete Afghan*innen weiterhin ermöglicht und ausgebaut werden, unter anderem über das Bundesaufnahmeprogramm und über Landesaufnahmeprogramme:
Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan muss in vollem Umfang fortgesetzt und finanziert werden. Ausreisen müssen beschleunigt werden. Neben der Möglichkeit, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen, sind solche Programme notwendig, damit besonders vulnerable und gefährdete Menschen auch tatsächlich Schutz suchen können: Personen, die unter anderem aufgrund ihres Alters, ihres Gesundheitszustands, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität besonderen Risiken ausgesetzt sind, neben den ohnehin großen Gefahren auf den Fluchtwegen nach Europa.
Das Ortskräfteverfahren muss so reformiert werden, dass alle gefährdeten Personen, die für Deutschland gearbeitet haben, Schutz erhalten.
Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte muss erleichtert und beschleunigt werden. Aktuell bleiben Familien oft aufgrund bürokratischer Hürden und Personalmangel in den zuständigen Behörden über Jahre getrennt. Diese Barrieren müssen abgebaut werden.
Abschiebungen nach Afghanistan dürfen nicht stattfinden.
Damit Schutzsuchende nach Ankunft in Deutschland die notwendige Unterstützung bekommen, um ein neues Leben hier aufzubauen, fordern wir zudem einen Ausbau der Kapazitäten für Unterbringung, Beratung und gesundheitliche Versorgung.
Wir dürfen die Menschen in Afghanistan nicht vergessen. Durch unsere Solidarität mit ihnen möchten wir unsere gemeinsamen demokratischen Werte verteidigen.
Unterzeichnende Organisationen (alphabetisch):
Afghan Women Activist's Coordinating Body (AWACB)
Afghanischer Aufschrei Düsseldorf
AfghanistanNotSafe KölnBonn
Afghanistan-Schulen, Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan e.V.
Amnesty International, Bezirk Düsseldorf
Amnesty International, Gruppe 1004
Artistic Freedom Initiative
AWO Bundesverband e.V.
Behandlungszentrum für Folteropfer Ulm
Beratung + Leben gemeinnützige GmbH, Migrationsberatung für Erwachsene in Berlin
Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS)
Brücke Schleswig-Holstein gGmbH
Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL e.V.
Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) e.V.
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.)
Caritasverband für die Stadt Köln e.V.
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Anwaltverein
Diakonie Deutschland
Dr. Jörg Hutter, Bundesvorstand Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD)
DSPZ (DeutschSchweizer PEN Zentrum)
European Organisation for Integration e.V.
FAM - Frauenakademie München e.V.
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
HÁWAR.help e. V.
IPPNW - Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.
Kabul Luftbrücke
KommMit e.V. / PSZ Brandenburg
Lichtpunkt | Traumatherapie- und Psychosoziales Zentrum e.V.
Louise-Aston-Gesellschaft e.V.
medico international
Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.
MISSION LIFELINE International e.V.
Mosaik Leipzig - Kompetenzzentrum für transkulturelle Dialoge e.V.
move on - menschen.rechte Tübingen e.V.
Nadia Murad Zentrum
Niederdeutsch-Friesisches PEN-Zentrum e.V {aspiring}
Psychosoziales Zentrum Dresden
Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge Nürnberg
Psychosoziales Zentrum Pfalz
PSZ Bielefeld
PSZ des Ev. Regionalverband Frankfurt und Offenbach
Refugio Bremen
Refugio München
Refugio Stuttgart e.V.
refugio thüringen e.V.
Refugio Villingen-Schwenningen, Psychosoziales Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge
Schwulenberatung Berlin
Stitching for School and Life e.V. - SSL e.V.
TERRE DES FEMMES - Menschenrechte für die Frau e.V.
Traumanetzwerk Lörrach
VAF Bonn e.V. (Verein für Afghanistanförderung)
Wir packen's an e.V. - Nothilfe für Geflüchtete
Zentrum ÜBERLEBEN
Pressemitteilung der BAfF zum Weltflüchtlingstag 2024/Innenminister*innenkonferenz
Geflüchteten steht psychosoziale Unterstützung als Schlüssel für Teilhabe und Integration kaum zur Verfügung
Berlin, 19. Juni 2024 – Während die Zahl geflüchteter Menschen einen neuen Höchststand erreicht, werden die notwendigen Versorgungsstrukturen in Deutschland unzureichend gefördert. Lediglich 3,1 Prozent des psychosozialen Versorgungsbedarfs konnten im Jahr 2022 gedeckt werden. Das geht aus der neuen Publikation der BAfF hervor.
Flucht & Gewalt" - Psychosozialer Versorgungsbericht 2024: BAfF_VB2024_web_01.pdf (baff-zentren.org)
„Dabei können Teilhabe und Integration nur dann gelingen, wenn Menschen Zugang zu bedarfsgerechter psychosozialer Versorgung haben. Die Arbeit der Psychosozialen Zentren ist essenziell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wird jedoch nur sehr prekär finanziert. Lediglich 6,3 Prozent der Finanzierung erfolgen über gesetzliche Leistungsträger, der Rest hauptsächlich über zeitlich begrenzte und eingeschränkte öffentliche Fördermittel.“ Yukako Karato, BAfF-Referentin für Versorgungsanalyse
Geplante Änderungen im Asylrecht, wie die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), drohen den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Schutz weiter einzuschränken und führen zu einer weiteren Kriminalisierung von Schutzsuchenden. „Die Aushöhlung von Rechten schafft ein Klima der Abwehr und unterstützt rechtspopulistische Parolen. Sie verrät unsere humanitäre und historische Verantwortung und verursacht hohe Folgekosten durch fehlende Integration, für Kommunen sowie die Sozial- und Gesundheitssysteme. Der Ausbau von Unterstützungsstrukturen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zeigt, dass unbürokratische Hilfe möglich ist. Dennoch wollen FDP und CDU/CSU die Regelungen für ukrainische Geflüchtete verschärfen, ohne die fatalen Konsequenzen zu erkennen.“ Lukas Welz, BAfF-Geschäftsleitung
25.861 Menschen wurden im Jahr 2022 in den 48 Psychosozialen Zentren, die sich im Dachverband BAfF organisieren, unterstützt. Die Leistungen der Zentren orientieren sich an den Bedarfen der Klient*innen und umfassen Psychotherapie, Soziale Arbeit, Rechtsberatung und teilweise medizinische Unterstützung. Da der psychosoziale Bedarf bei geflüchteten Kindern und Jugendlichen besonders hoch ist, bietet etwa die Hälfte der Zentren spezialisierte Angebote für sie an. Diesen Arbeitsbereich fokussiert der diesjährige Versorgungsbericht besonders.
Psychosoziale Bedarfe entstehen nicht nur aufgrund von traumatisierenden Erfahrungen im Herkunftsland – durch Folter, Verfolgung, Krieg – und auf der Flucht, sondern auch durch Ausgrenzung und Rassismus in Deutschland. Ein aktueller Vorfall in Grevesmühlen, bei dem zwei Kinder rassistisch attackiert wurden, zeigt erneut, dass Ankunft oft von Gewalt geprägt ist. Erhebungen des VBRG und der Amadeu Antonio Stiftung belegen, dass solche Vorfälle keine Einzelfälle sind (vgl. VBRG-Jahresbilanz: „Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt in Deutschland 2023“; Amadeu Antonio Stiftung: „Leben in Gefahr. Gewalt gegen Geflüchtete in Deutschland“).
Die BAfF fordert die politisch Verantwortlichen von Bund und Ländern daher zu grundlegenden strukturellen Veränderungen auf:
diskriminierungsfreie Teilhabemöglichkeiten für geflüchtete Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu ermöglichen,
eine Krankenkassenkarte für alle geflüchteten Personen von Anfang an in allen Bundesländern einzuführen, um Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem zu gewährleisten,
die Verstetigung bedarfsgerechter Hilfen für Überlebende von Flucht und Gewalt durch eine flächendeckende und nachhaltige Finanzierung von Bund und Ländern sicherzustellen,
faire Asylverfahren und menschenwürdige Lebensbedingungen durch eine systematische Feststellung von menschen- und EU-rechtlich verankerten Schutzbedarfen umzusetzen, wie im Koalitionsvertrag angekündigt,
die Finanzierung von Sprachmittlung im sozialen, rechtlichen und gesundheitlichen Bereich für Menschen ohne Deutschkenntnisse durch einen gesetzlichen Anspruch, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, umzusetzen,
Fortbildungen und Ausbildungscurricula von Fachkräften in diskriminierungskritischer und traumasensibler Arbeit im Kontext Flucht und Menschenrechtsverletzungen zu erweitern.
Hintergrund
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird in Deutschland durch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und diskriminierende Strukturen des Gesundheitssystems stark eingeschränkt. In den ersten 36 Monaten nach ihrer Ankunft haben Geflüchtete nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen Anspruch auf medizinische Behandlung. Dies behindert eine adäquate medizinische und therapeutische Versorgung erheblich.
Die Finanzierung der Psychosozialen Zentren erfolgt größtenteils durch zeitlich begrenzte öffentliche Fördermittel, wobei der größte Anteil aus Landesmitteln (14,2 Prozent) stammt. Die Kostenübernahme von Therapien durch gesetzlich verankerte Leistungsträger betrug nur 6,3 Prozent der Gesamtfinanzierung.
Kontakt
Für weitere Informationen, Interviews und exklusive Einblicke in unsere Daten kontaktieren Sie uns gerne.
Mit freundlichen Grüßen
Marie-Claire Wygand (sie/ihr)
Referentin für Presse- & Öffentlichkeitsarbeit
Pressemitteilung
Kinderrechte gelten für alle gleich!
Flüchtlingsrat Thüringen e.V., der Kinderschutzbund Thüringen e.V. und refugio thüringen e.V. fordern ein Ende von Standardabsenkungen in der Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Geflüchtete
Anlässlich des Internationalen Kindertages am 01. Juni kritisieren der Flüchtlingsrat Thüringen e.V., der Kinderschutzbund Landesverband Thüringen e.V. und refugio thüringen e.V. die Thüringer Situation von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten (UMF), deren Rechte derzeit, trotz ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit, akut eingeschränkt werden.
In Thüringen leben aktuell knapp 730 unbegleitete geflüchtete Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Im September 2023 wurden die Jugendhilfestandards für neu einreisende UMF herabgesetzt. Thüringer Jugendämter dürfen Jugendliche ab 14 Jahren seitdem in neu geschaffenen, so genannten „Übergangs- und Notlösungen“ unterbringen. Begründet wird dies mit der gestiegenen Zahl von jungen Geflüchteten, fehlenden Strukturen und Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe. Dabei haben unbegleitete Minderjährige den gleichen Anspruch auf Betreuung, Versorgung und Förderung nach dem Kinder- und Jugendhilferecht im SGB VIII wie alle anderen Kinder und Jugendlichen.
77 unbegleitete Minderjährige wurden nach Aussage des zuständigen Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport unter herabgesetzten Qualitätsstandards in Internaten, Freizeitzentren und ähnlichen Einrichtungen betreut. Das geht aus der Antwort einer Kleinen Anfrage im Thüringer Landtag vom 28.05.2024 zum Stichtag 31.01.2024 hervor. Zum Stichtag 01.03.2024 meldeten zehn Jugendämter zudem die Unterbringung von UMF in so genannten Gemeinschaftsunterkünften für erwachsene Geflüchtete. Eine Betreuung in diesen SGB-VIII-fremden Unterkünften findet hier laut Antwort der Kleinen Anfrage meist ambulant, also stundenweise vor Ort durch Mitarbeitende der Jugendämter, durch freie Träger und durch Sozialbetreuer:innen in den Gemeinschaftsunterkünften statt.
Carsten Nöthling, Geschäftsführer des Kinderschutzbund Landesverband Thüringen e.V.: „Wir wissen um die Problematik des Fachkräftemangels in der Kinder- und Jugendhilfe. Das darf jedoch nicht der Grund sein, die Kinderrechte auszusetzen. Eine Notunterbringung darf nur befristet stattfinden! Die dauerhafte Unterbringung ohne Berücksichtigung der Standards der Jugendhilfe verletzt das Kindeswohl der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten.“
Dabei brauchen unbegleitete Minderjährige mit Fluchtgeschichte ganz besonders die Unterstützung der Jugendhilfe. Denn nicht nur aufgrund ihres Alters sind sie besonders vulnerabel. Die neu ankommenden geflüchteten Jugendlichen müssen sich allein, ohne Eltern im neuen Umfeld orientieren. Sie haben Krieg, Gewalt, Verfolgung, Elend, Inhaftierung und Ausbeutung erlebt, in deren Folge sie oft an Traumata leiden. Nach einer meist gefahrvollen Flucht kommen sie in Deutschland an und brauchen daher ganz besonders die Unterstützung der Jugendhilfe, um zur Ruhe zu kommen, Erlebtes verarbeiten und erste Perspektiven für sich selbst entwickeln zu können. In dem Prozess beherrschen sie zudem meist noch nicht die deutsche Sprache und haben noch keinen Zugang zu Schule oder Sprachkursen.
Mit den Standradabsenkungen wird ihnen ein niedrigerer Bedarf an Leistungen und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe unterstellt als anderen Gleichaltrigen. Diese Diskriminierung der jungen geflüchteten Menschen ist nicht hinnehmbar und unvereinbar mit ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus der UN-Kinderrechtskonvention und dem Grundgesetz. Sie liefert zudem eine Vorlage, auch in anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe Standards herabzusetzen.
Christine Müller, Geschäftsführerin des refugio thüringen e.V.: „Auch für geflüchtete Kinder und Jugendliche gelten die Rechte des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und damit auch auf ein Höchstmaß an Gesundheit. Insbesondere bei unbegleiteten Minderjährigen muss sichergestellt sein, dass Belastungen von den Jugendämtern und Fachkräften frühzeitig erkannt und berücksichtigt werden. Gemeinschafts- und Sammelunterkünfte für Erwachsene sind dabei keine geeigneten Orte für Kinder und Jugendliche. Weder für die Wahrung ihrer Rechte noch für ein Höchstmaß an Gesundheit.“
Antje-C. Büchner, Referentin des Flüchtlingsrat Thüringen e.V.: „Die aktuelle Situation der Standardabsenkungen in der Unterbringung und Versorgung von UMF bundesweit ist ein sozialpolitisches Versagen und ein Rückschritt in der Anerkennung und Umsetzung der Rechte von Kindern. Herabgesetzte Qualitätsstandards unterhalb oder gar außerhalb der Jugendhilfe belasten grundsätzlich die jungen Menschen, aber auch die Fachkräfte, welche unter diesen Bedingungen (noch) bereit sind, zu arbeiten. Standardabsenkungen für eine bestimmte Gruppe von Kindern – nämlich die mit dem Merkmal „geflüchtet“ („ausländisch“) – schaffen nicht nur eine Jugendhilfe ‚2. Klasse‘, sondern sind auch Ausdruck von struktureller Diskriminierung. Auf eine Überführung in die geltenden Standards der Jugendhilfe ist jetzt hinzuwirken. Die betroffenen Jugendlichen in Thüringen müssen unverzüglich im vollen Umfang des SGB VIII versorgt werden. Die Unterbringung in Sammelunterkünften für Erwachsene lehnen wir ab.“
In Sorge um die Demokratie in unserem Land engagieren sich in Weltoffenes Thüringen Organisationen und Menschen aus dem gesamten Freistaat:
Wir treten ein für ein weltoffenes und vielfältiges Thüringen.
Wir stehen ein für die Achtung der Menschenwürde und der unteilbaren Menschenrechte – dies auch mit Blick auf die historische Verantwortung Deutschlands, insbesondere für die Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus.
Wir setzen uns ein für plurale Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – auch als Lehre aus den Erfahrungen zweier unterschiedlicher Diktaturen in Deutschland.
Wir möchten ein Land, in dem Menschen in ihrer Verschiedenheit akzeptiert und willkommen sind.
Wir wünschen uns einen friedlichen und respektvollen Umgang miteinander. Vorurteile, Ausgrenzung und Hass haben in einem weltoffenen und vielfältigen Thüringen keinen Platz.
Wir treten ein für die Idee der Europäischen Einigung. Sie steht für Frieden, Solidarität und Wohlstand. Davon profitiert Thüringen in besonderem Maße.
Hier weiterlesen: Weltoffenes Thüringen
Inmitten eines gesellschaftlichen Klimas massiver Bedrohungen von Menschen, der Demokratie und einer menschenrechtsorientierten Gesellschaft und geprägt von Deportationsfantasien Rechtsextremer wie der AfD soll das monatelang umstrittene „Rückführungspaket“ heute im Bundestag verabschiedet werden. Neben schweren Grundrechtseingriffen zur Erleichterung von Abschiebungen enthält es öffentlich bislang weitgehend unbeachtete massive Einschränkungen des Rechtes Asylsuchender auf den Zugang zum Gesundheitssystem.
Hier weiterlesen: Rückführungsoffensive der Ampelkoalition: Politik im Widerspruch zu den Menschenrechten
Gudrun Keifl unterstützt in unserem Projekt mit refugio thüringen e.V geflüchtete Kinder und Jugendliche. Im Interview spricht sie darüber, was die Diskussionen um mehr Abschiebungen bei den jungen Menschen auslösen und warum die Politik nicht nur ihre Wortwahl ändern muss.
Hier Weiterlesen: »Das Gefühl, nicht willkommen zu sein und weniger Chancen im Leben zu haben, nimmt zu«
Das Jahr 2023 droht für geflüchtete Menschen mit den massivsten Entrechtungen zu Ende zu gehen, die seit dem Asylkompromiss vor 30 Jahren politisch umgesetzt wurden. Die Einschränkungen des schon heute verfassungswidrigen Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) sollen geflüchtete Menschen künftig bis zu 3 Jahre im Zugang zum Menschenrecht auf Gesundheit behindern. Als von 48 Psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Überlebende von Folter getragene Versorgungsstruktur hat BafF Expert*innen aus Wissenschaft, Verwaltung und Gesundheitsversorgung gefragt:
Gibt es 30 Jahre nach dem Asylkompromiss noch belastbare Argumente, die FÜR dieses Gesetz sprechen?
Vor welchen Herausforderungen steht unsere Gesellschaft tatsächlich?
Was muss eine faktenbasierte Migrationspolitik leisten?
Hier weiterlesen:
Videodokumentation: „30 Jahre AsylbLG“
Hier zu Videodokumentation auf YouTube:
30 Jahre Asylkompromiss: „In welchem Land wollen wir leben?“
Happy Birthday, Kinderrechte!
Kinder und Jugendliche brauchen besonderen Schutz. Seit 34 Jahren wird deshalb am 20. November der internationale Tag der Kinderrechte begangen. Denn am 20. November 1989 haben 191 Staaten der UNO eine wichtige Konvention (Übereinkommen) unterschrieben: die Kinderrechtskonvention.
Wenn ihr mehr über junge Menschen auf der Flucht erfahren wollt, oder wie ihr mit Kindern über dieses Thema sprechen könnt, wird es in diesem Film genauer erklärt: https://www.zdf.de/kinder/logo/sendung-sherif-kinder-flucht-kinderrechte-100.html
Wusstet ihr schon, dass Kinder sogar ihr eigenes Ministerium haben? Dann besucht doch mal das Kinderministerium: https://www.kinder-ministerium.de
Die aktuellen Gesetzesinitiativen dieser Woche befeuern eine Debatte, die von rechter Rhetorik geprägt ist und unnötige Verschärfungen bei Abschiebungen, Arbeitspflichten und Sachleistungen vorantreibt, statt die tatsächlichen Herausforderungen in der Aufnahme und Versorgung Schutzsuchender zu lösen. Geflüchteten Menschen wird in der aktuellen Diskussion von verschiedenen Seiten pauschalisierend unterstellt, dass sie nicht arbeiten wollten, keine legitimen Asylgründe hätten und Sozialleistungen missbrauchen würden.
Die gesamte Pressemitteilung der BafF-Zentren finden Sie hier:
Zur Ministerpräsidentenkonferenz und Abschiebedebatten - BAfF-Zentren
"Jedes Kind braucht eine Zukunft“ – das ist das Motto des diesjährigen Weltkindertages am 20.09.2023.
Am Weltkindertag stehen die Rechte von Kindern und Jugendlichen im Mittelpunkt. Diese wollen wir feiern und sichtbar machen. Dafür gibt es bundesweit viele Aktionen, Angebote und Feste. Thüringen ist dabei in Deutschland das einzige Bundesland, in dem der Weltkindertag ein offizieller Feiertag ist.
Rechte von Kindern werden jedoch nicht überall umgesetzt und gelebt. Auch darauf soll dieser Tag hinweisen.
Als Refugio Thüringen nehmen wir dies zum Anlass, um auf die aktuelle Petition und Kampagne von Jugendliche ohne Grenzen aufmerksam zu machen:
„Chancengleichheit und Zugang zu Bildung sollten für alle jungen Menschen in Deutschland gewährleistet sein. Aber das ist im Moment nicht der Fall. Uns – jungen Geflüchteten – werden Bildungschancen genommen und wir stehen unter enormem Druck und können nie durchatmen. Gemeinsam fordern wir, dass junge Geflüchtete das gleiche Recht auf Bildung und Bildungspausen erhalten wie alle anderen Menschen in Deutschland.“
Daher jetzt unterschreiben! Gleiches Recht auf Bildung für alle!
https://weact.campact.de/petitions/gleiches-recht-auf-bildung-fur-alle
Die Bundesregierung will inmitten einer der größten Menschenrechtskrisen unserer Zeit die Finanzierung der psychosozialen Arbeit mit Geflüchteten um fast 60% kürzen. Sie setzt damit die überlebensnotwendige Versorgung für Überlebende von Folter, für Kinder, die Bombenangriffe und sexualisierte Gewalt erlebt haben und für Menschen, die sich in ihren Herkunftsländern für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, aufs Spiel. Angesichts einer ohnehin geringen Versorgungsquote von nur 4,1 Prozent der potenziell behandlungsbedürftigen Personen ist zu erwarten, dass das Kaputtsparen in diesem essenziellen sozialen Bereich für die Betroffenen und die Gesamtgesellschaft fatale Folgen haben wird.
Die gesamte Pressemitteilung der BafF-Zentren finden Sie hier:
2014 haben die Vereinten Nationen den „Internationalen Tag gegen Menschenhandel“ ins Leben gerufen. Jedes Jahr am 30. Juli soll an die Betroffenen dieses schweren Menschenrechtsvergehens weltweit erinnert werden. Sowohl der Unterstützung von Betroffenen als auch der Verfolgung von Täter*innen haben sich die Mitgliedsstaaten Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Unterzeichnung der Resolution (A/RES/68/192) von 2014 verpflichtet. Nicht nur die Vereinten Nationen, sondern auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verständigten sich 2011 in der „Richtlinie gegen Menschenhandel“ (2011/36/EU) auf die Bekämpfung des Menschenhandels und den Schutz der Betroffenen.
Mit den aktuellen Reformplänen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird der Schutz und die Unterstützung von Betroffenen erschwert werden. Die besondere Vulnerabilität von Personen, wie Frauen und Kinder, auf ihrer Fluchtroute von Menschenhandel betroffen zu sein wird nicht berücksichtigt werden. Durch verkürzte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und die Ausdehnung der „sicheren“ Drittstaatenregelung wird die Identifizierung dieser Schutzsuchender sowie anderer besonders schutzbedürftiger Personen drastisch erschwert werden!
Die deutsche Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, sich aktiv gegen Menschenhandel und für die Betroffenen einzusetzen. Mit der Errichtung einer „Berichterstattungsstelle Menschenhandel“ durch das Deutsche Institut für Menschenrechte hat sie eines ihrer Vorhaben 2022 umgesetzt. Ein aussageunabhängiges Aufenthaltsrecht für die Gruppe Betroffener von Menschenhandel mit ungesichertem Aufenthalt in der BRD, wie es ebenfalls im Koalitionsvertrag formuliert ist, steht leider noch aus. Wie sich der Schutz und die Versorgung von Betroffenen von Menschenhandel im Kontext von Flucht und Asyl in Deutschland angesichts der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems perspektivisch gestalten wird, bleibt zu befürchten.
Betroffene von Menschenhandel haben, unabhängig des Ortes oder Form der Ausbeutung ein Recht auf Unterstützung und Schutz. Seit 2021 unterstützt bekom thüringen, als einzige Fachberatungsstelle zu Menschenhandel, Betroffene in Thüringen. Die Kolleg*innen der Fachberatungsstelle begleiten in ihrer Arbeit Personen mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Was die betroffenen Personen jedoch gemein haben, ist dass sie unter massiver Missachtung ihrer Selbstbestimmung und ihrer Rechte ausgebeutet wurden.
Nähere Informationen zur Beratungsstelle bekom thüringen finden sich auf der homepage https://www.bekom-thueringen.de/wer-wir-sind. Neben der Beratung von Betroffenen hat die Fachberatungsstelle auch den Auftrag (Fach)Öffentlichkeit zu sensibilisieren, wofür sie Weiterbildungen anbietet. Weiteres hierzu unter: https://www.bekom-thueringen.de/was-wir-anbieten.
Am 26.07.23 soll es auf Ebene der ständigen Vertreter in Brüssel eine Entscheidung zur nächsten Asylrechtsverschärfung geben. Nach den historisch einmaligen Menschenrechtseinschränkungen im Zuge der GEAS-Reform Anfang Juni drohen Schutzsuchenden damit noch weitreichendere Entrechtungen. Verhandelt werden soll die sogenannte „Krisen-Verordnung“, mit der auch die erst im Dezember abgewehrten Vorschläge zur „Instrumentalisierungsverordnung“ wieder auf dem Tisch sind. Wenn die deutsche Bundesregierung diesen Vorschlägen zustimmt, dann setzt sie Menschen auf der Suche nach Schutz vor Folter und Krieg systematisch der Gefahr weiterer traumatischer Gewalterfahrungen aus und nimmt massive Gesundheits- und Kindeswohlgefährdungen in Kauf.
Die gesamte Pressemitteilung der BafF-Zentren finden Sie hier:
www.baff-zentren.org/aktuelles/eu-staaten-verhandeln-weitere-entrechtungen-durch-die-hintertuer/
Hiermit teilen wir die Presseerklärung von Mirjam Kruppa (Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge des Freistaat Thüringens) anlässlich des Weltflüchtlingstages. Nachzulesen ist diese hier:
https://bimf.thueringen.de/beauftragte/medieninfo/detailseite/11-2023
Zum internationalen Tag der Unterstützung von Folterüberlebenden veröffentlicht die BAfF, der Dachverband der 47 Psychosozialen Zentren für Überlebende von Folter, Flucht und Gewalt, ihren neusten Versorgungsbericht:
Nur 4,1 % der Schutzsuchenden mit einem potenziellen Versorgungsbedarf werden in Deutschland durch die Psychosozialen Zentren (PSZ) versorgt. Die Leistungsträger im Gesundheits- und Sozialsystem kommen nur zu 6% für ihre Versorgungsangebote auf. Damit kommt Deutschland seinen Verpflichtungen aus der am 26.6.1987 in Kraft getretenen UN-Antifolterkonvention in keiner Weise nach. Die BAfF erwartet, dass sich diese untragbare Situation angesichts der gefährlicheren Fluchtwege infolge der Reformen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) weiter zuspitzt und fordert Veränderungen auf europäischer, nationaler und Länderebene.
Hier der Link zum Versorgungsbericht der BAfF: https://www.baff-zentren.org/publikationen/versorgungsberichte-der-baff/
Auch refugio thüringen e.V. hat den gemeinsamen Appell "Es gibt nur eine Menschenwürde - Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!" unterzeichnet. Es gibt inzwischen 200 Organisationen, die den Aufruf mittragen. Der komplette Aufruf ist hier zu lesen.
**** english version below ****
Nonbinary
von Biba Nass[1]
Es fühlt sich gelb an.
Gelb –
und es glitzert.
Vielleicht bald grün,
blau oder pink –
sagst du.
Entweder blau oder pink
nimmst du,
umflirrt von –
nichts.
Es fühlt sich gelb an.
Gelb –
und es glitzert.
Fragend, kratzend, leuchtend –
aber gelb.
Gelb gibt es nicht –
sagst du.
Seit 2005 findet am 17. Mai der IDAHOBIT (Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit) statt. Das Datum wurde zur Erinnerung an den 17.05.1990 gewählt, an dem Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestrichen wurde und seither offiziell nicht mehr als Krankheit gilt. Transsexualität wurde erst 2018 aus dem aktuellen Diagnoseschlüssel der WHO gestrichen.
An diesem Tag werden weltweit Stimmen laut, die sich für die Rechte von LGBTIQA* Personen einsetzen und ihre Forderungen auf die Straße tragen. Denn noch immer gehören Ausgrenzung, Abwertung und Gewalt zu einer Realität, derer sich viele queere Menschen Tag für Tag konfrontiert sehen. Noch immer werden queere Menschen in 69 Staaten strafrechtlich verfolgt, und bis hin zur Todesstrafe in 11 Staaten bedroht (Stand Dezember 2020[2]). Vielerorts sind staatliche Behörden an der Unterdrückung beteiligt oder verweigern den Betroffenen jeglichen Schutz vor Anfeindungen und Gewalt.
Menschen, die in Deutschland Schutz vor Verfolgung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität suchen, stehen wiederum vor der Herausforderung potentiell rechtswidrigen und menschenverachtendem Verhalten deutscher Behörden ausgesetzt zu sein. So hält das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiterhin an dem sogenannten “Diskretionsgebot” fest, welches gegen die bereits seit 2013 bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verstößt.[3] Hierbei unterstellt das BAMF Möglichkeiten, die queere Sexualität im Herkunftsland “diskret” ausleben zu können, um eine Abschiebung zu rechtfertigen. Diese unzulässige Praxis verkennt damit die Lebensrealitäten queerer Geflüchteter, versagt ihnen grundlegende Rechte und muss umgehend eingestellt werden.
REFUGIO Thüringen ist unter anderem auf die Beratung von queeren Geflüchteten spezialisiert. Lesen Sie hier mehr dazu.
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IDAHOBIT (International Day against Homophobia, Bisexuality, Inter- and Transphobia) has been held on 17 May since 2005. The date was chosen to commemorate 17.051990, when homosexuality was removed from the World Health Organisation's (WHO) diagnostic key and has since then officially ceased to be a disease. Transsexuality was only removed from the current WHO diagnostic code in 2018.
On this day, voices are raised worldwide to stand up for the rights of LGBTIQA* people and take their demands to the streets. Because exclusion, devaluation and violence are still part of a reality that many queer people face every day. Queer people are still being prosecuted in 69 states and threatened with the death penalty in 11 states (as of December 2020). In many places, state authorities are involved in the repression or deny those affected any protection from hostility and violence.
People seeking protection in Germany from persecution on the grounds of sexual orientation or gender identity in turn face the challenge of potentially unlawful and inhumane behaviour by German authorities. For example, the Federal Office for Migration and Refugees (BAMF) continues to adhere to the so-called "Diskretionsgebot", which violates the case law of the European Court of Justice (EuGH) that has already existed since 2013. In this context, the BAMF assumes that there are possibilities to "discreetly" live out one's queer sexuality in the country of origin in order to justify deportation. This inadmissible practice thus fails to recognise the realities of life for queer refugees, denies them fundamental rights and must be stopped immediately.
Among other things, REFUGIO Thüringen specialises in counselling queer refugees. Read more about this here.
[1]Biba Nass (er/ they) ist eine weiße, nicht binäre trans Person. Bibas Texte setzen sich mit psychischer Gewalt, Machtverhältnissen, Gendernormen und der Idee von Gefühlen auseinander, sie versuchen Worte aus ihrer Hülle zu schälen wie eine frische Frucht. Biba ist Herausgeber*in des queeren Literaturmagazins transcodiert. Quelle: Kevin Junk (Hrsg.) (2021). Neue, queere Lyrik. [2]https://www.lsvd.de/de/ct/1245-lgbt-rechte-weltweit-wo-droht-todesstrafe-oder-gefaengnis-fuer-homosexualitaet- [3]EuGH (Vierte Kammer), Urt. v. 07.11.2013 - C-199/12, C-200/12, C-201/12, Rs. X u.a.
Am 21.03.2023 ist der internationale Tag gegen Rassismus. Anlässlich dessen möchten wir unser neues Projekt „Change! Rassimussensible Beratung und Therapie“ vorstellen.
Viele Menschen in Thüringen, aber auch darüber hinaus erleben aufgrund ihrer Hautfarbe, Erstsprache, Herkunft, Staatsangehörigkeit oder Religionsangehörigkeit täglich Rassismus unterschiedlicher Art. Regelmäßig werden Menschen auch Opfer von rassistisch motivierten Straftaten und Übergriffen. Diese haben in Deutschland seit 2015 deutlich zugenommen (1). Auch die Thüringer Opferberatungsstelle ezra (2) registrierte eine Zunahme rassistischer Gewalt. Die aktuelle Studie „Rassismus und Zivilcourage in Gera“ (3) zeigt auf, dass in den vergangenen fünf Jahren neun von zehn arabische Migrant*innen in Gera Rassismus erfahren haben.
Aufgrund der Marginalisierung auf verschiedenen Ebenen sind geflüchtete Menschen besonders exponiert, ausgegrenzt und letztlich gefährdet (4). Im Falle von Intersektionalität kann sich die Belastung durch ein rassistisches Ereignis potenzieren (5). Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen wirken sich negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit aus (6). Die meisten Betroffenen rechter Gewalt nehmen psychische Belastungen als die gravierendsten Auswirkungen der Tat wahr (7). Geflüchtete Menschen haben ohnehin ein erhöhtes Risiko, an psychischen Störungen zu erkranken. Eine Posttraumatische Belastungsstörung tritt laut Bundespsychotherapeutenkammer bei 40 Prozent aller geflüchteten Menschen in Deutschland auf und damit etwa 20 Mal häufiger als bei der Allgemeinbevölkerung (8). Rassismuserfahrungen werden ebenso als traumatische Erfahrungen eingeordnet (5, 9). Louw und Schwabe führen aus, dass immer wiederkehrender Alltagsrassismus und subtile Formen von Rassismus sich als extrem bedrohlich auf die Betroffenen auswirken (4). Durch Rassismuserfahrungen fühlen sich geflüchtete Menschen auch in Deutschland nicht sicher, was beispielsweise Psychotherapie wegen Traumafolgestörungen extrem erschwert. Erst durch die Entwicklung eines rassismussensiblen Ansatzes können Rassismusbetroffene von Beratung und Psychotherapie profitieren (4).
Hier setzt das neue Projekt von refugio thüringen e.V. an. Wir möchten in unserer Beratung und Therapie unseren Blick für die psychischen Belastungen infolge von Diskriminierung und Rassismus schärfen und unsere eigene Arbeit mit einer dezidiert rassismuskritischen Haltung verfolgen. Das Projekt zielt darauf ab, Rassismus gegenüber schutzbedürftigen Menschen im Therapie- und Beratungsprozess sowie im gesellschaftlichen Umfeld zu erkennen und bewusst zu machen, ihn als wirkmächtiges Alltagsphänomen anzuerkennen und aktiv gemeinsam Lösungen für Veränderungen zu erarbeiten. Diese setzen vor allem an der individuellen Stärkung der Betroffenen sowie dem eigenen therapeutischen und sozialarbeiterischen Selbstverständnis an. Dadurch möchten wir die Qualität des Therapie- und Beratungsprozesses zur Begleitung von besonders schutzbedürftigen, geflüchteten Menschen in Thüringen sowie deren individuellen Lebenssituationen verbessern.
Als weiteren Baustein verfolgt das Projekt die Stärkung geflüchteter Menschen mittels Empowerment-Gruppen-Angeboten. Rassismus ist kein rein individuelles, sondern v.a. gesellschaftliches Phänomen. Deshalb bedarf es neben individueller Psychotherapie/Beratung kollektive Angebote, die Raum für eine gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Erleben von Rassismus und dem Umgang im Alltag schaffen (10). Mit den Angeboten werden also die Verbesserung der Teilhabechancen sowie die Stärkung der Selbstermächtigung von geflüchteten Menschen, die direkt und indirekt Rassismus erfahren (haben), verfolgt. In Thüringen gibt es bisher nur punktuell Empowerment-Angebote, aber keine längerfristig angelegten spezialisierten Angebote für BIPoC* (Black, Indigenous, People of Colour*) und noch weniger für (psychisch oder anderweitig vorbelastete) geflüchtete Menschen. Dort wollen wir einen Beitrag leisten.
Auf unserer Seite finden Sie regelmäßig Informationen und Hinweise zu Veranstaltungen im Rahmen des Projektes. Wenn Sie Fragen zum Projekt haben oder mit uns kooperieren möchten, kontaktieren Sie uns gern per Mail: kalthaus@refugio-thueringen.de .
Projektlaufzeit: 28.12.2022 bis 27.12.2025
Projektförderung: Für dieses Projekt sind Mitteln aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfond beantragt.
Fußnoten:
(1) Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (2019). Jahresstatistik. https://verband-brg.de/pm-vbrg-jahresstatistik-2018-rechte-gewalt/
(2) ezra – Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen (2022). Jahresstatistik 2021. https://ezra.de/wp-content/uploads/2022/04/Pressemappe_ezra_Jahresstatistik2021.pdf
(3) Halawe, S. (2022). Rassismus und Zivilcourage in Gera. Bachelorarbeit, Duale Hochschule Gera-Eisenach. https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/gera/arabische-migranten-rassismus-erfahrungen-studie-100.html
(4) Louw, A., Schwabe, K. (2021). Rassismussensible Beratung und Therapie von geflüchteten Menschen. Fluchtaspekte. V&R.
(5) Yeboah, A. (2017). Rassismus und psychische Gesundheit in Deutschland. In K. Fereidooni, M. El (Hrsg.) Rassismuskritik und Widerstandsformen (S143 – 161). Wiesbaden: Springer.
(6) Hargasser, B. (2014). Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sequentielle Traumatisierungsprozesse und die Aufgaben der Jugendhilfe. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel.
(7) Köbberling, G. (2018). Beratung von Opfern rechter und rassistischer Gewalt. Transcript Verlag.
(8) Bundespsychotherapeutenkammer (2015). BPtK-Standpunkt: Psychische Erkrankungen bei Flüchtlingen. https://www.bptk.de/wp-content/uploads/2019/01/20150916_bptk_standpunkt_psychische_erkrankungen_fluechtlinge.pdf
(9) Sequiera, D. F. (2015). Gefangen in der Gesellschaft – Alltagsrassismus in Deutschland. Rassismuskritisches Denken und Handeln in der Psychologie. Marburg: Tectum Verlag.
(10) Mohseni, M. (2020). Empowerment-Workshops für Menschen mit Rassismuserfahrungen. Springer.
Vor einem Jahr begann der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Seit langen 12 Monaten erleben wir dieses schreckliche Ereignis, das im 21. Jahrhundert nicht hätte passieren dürfen, und es dauert immer noch an. Unsere Emotionen sind zu tief und schmerzhaft, um sie zu teilen. Inzwischen gibt es bei REFUGIO Thüringen ein Team aus ukrainischen und russischen Psychologinnen, das ukrainischen Geflüchteten in Thüringen hilft. Gemeinsam haben wir in den letzten 7 bis 8 Monaten, durch die schnelle finanzielle Unterstützung der Diakonie Katastrophenhilfe, der UNO-Flüchtlingshilfe sowie eines Sonderprogramms des Bundes, bereits zirka 170 Ukrainer*innen unterstützt. Wir bieten Gruppen- und Einzeltherapien in 4 Städten in Thüringen (Jena, Erfurt, Nordhausen und Suhl) an und arbeiten sowohl mit Erwachsenen als auch mit Kindern und Jugendlichen. Unser Ziel ist es, möglichst vielen Menschen, die vom Krieg betroffen sind, zu helfen, ihre psychische Gesundheit wiederherzustellen. Durch ein neues von der EU gefördertes Projekt ist die Weiterarbeit in diesem Team auch über einen längeren Zeitraum finanziell und personell abgesichert.
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier:
www.refugio-thueringen.de/projekte Informationen über Unterstützungsmöglichkeiten auf unsere Seite:
Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung_beschneidung (engl. FGM_C)
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass weltweit über 200 Millionen Mädchen und Frauen beschnitten sind. 3 Millionen Mädchen sind jährlich gefährdet, eine Beschneidung zu erleben. Am 6. Februar findet der "Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ statt, um auf diese Form der Menschenrechtsverletzung aufmerksam machen.
In vielen Ländern ist FGM_C auf dem Papier längst verboten. In Deutschland, wie in anderen europäischen Ländern, ist FGM_C seit 2013 ein Straftatbestand. Trotz der rechtlich klaren Lage, finden täglich weitere Beschneidungen, auch an in Deutschland lebenden Mädchen und Frauen, statt. Im Asylverfahren in Deutschland gilt eine drohende FGM_C zu den sogenannten „geschlechtsspezifischen Fluchtgründen“. Es ist daher dringend erforderlich, dass sich Fachkräfte im Bereich der Asylverfahrensberatung, Sozialarbeiter*innen in den Gemeinschaftsunterkünften und Lehrer*innen an Schulen im Themenbereich FGM_C fortbilden. Weiterhin ist es für die betroffenen Frauen und Mädchen wichtig, eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung zu bekommen. Medizinisches Personal ist häufig nur unzureichend ausgebildet, um kultursensibel und kompetent unterstützen zu können. Wir von REFUGIO Thüringen bieten zu dem Themenbereich eine sensibilisierte und sprachmittlungsgestützte Beratung an. Wir informieren über die Besonderheiten im Asylverfahren, vermitteln an geschulte Ärzt*innen und unterstützen bei möglichen psycho-sozialen Folgen einer FGM_C. Weiterhin bieten wir Schulungen für Ärzt*innen, Hebammen oder Sozialarbeiter*innen an.
Viele Geflüchtete erhalten in Deutschland seit fast 30 Jahren Leistungen, die unter dem menschenwürdigen Existenzminimum liegen und haben nur eingeschränkt Zugang zum Gesundheitssystem. Daran ändert auch das neue Bürgergeld nichts, das seit 01.01.2023 die Hartz-IV-Leistungen ersetzt. Die BAfF als Dachverband der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer hat zusammen mit PRO ASYL und dem Flüchtlingsrat Berlin einen von 62 Organisationen unterzeichneten Appell initiiert, der die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und gleiche Rechte auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen fordert.
Das gemeinsame Statement von 62 Organisationen finden Sie hier:
https://www.baff-zentren.org/wp-content/uploads/2023/01/Appell-gegen-AsylbLG_Jan-2023.pdf
Seit nunmehr fast 20 Jahren bietet refugio thüringen e. V. psychosoziale und psychologische Beratung und Therapie für geflüchtete Menschen an. Dabei haben alle Landesregierungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach der Aufnahmerichtlinie des europäischen Asylrechts diese Arbeit fachlich anerkannt und unterstützt. Somit ergänzt refugio thüringen e. V. erfolgreich die begrenzten Ressourcen niedergelassener Therapeut*innen. Seit Sommer dieses Jahres stehen bei unserer Arbeit viele geflüchtete Menschen aus der Ukraine im Mittelpunkt eines Sofortprogrammes des Bundes, der UNO-Flüchtlingshilfe sowie der Katastrophenhilfe der Diakonie. Ukrainische und russische Psychologinnen, die muttersprachlich beraten, bieten psychologische und therapeutische Unterstützung für die überwiegend geflüchtete Frauen und ihren Kindern an. Viele leiden unter den traumatischen Erlebnissen des Krieges. Da kommt es gut an, wenn die Geschäftsführerin Christine Müller von refugio thüringen e. V. berichten kann, dass ab Januar 2023 diese muttersprachliche Unterstützung mit europäischen Mitteln nicht nur erhalten, sondern in den Regionen ausgebaut werden kann. Dafür ist eine grundständige Unterstützung seitens des Landes nötig. Sicher ist dieser Erfolg auch der fachlich anerkannten, nicht parteipolitisch gebundenen Stellung des Trägers zu verdanken.
Christine Müller
Geschäftsführerin refugio thüringen e. V.
Vielen unserer Klient*innen wurde auf der Suche nach Schutz vor Folter und Krieg an den Grenzen Europas ein weiteres Mal massive Gewalt zugefügt: Sie haben wochenlang bei Minusgraden an der polnisch-belarussischen Grenze ums Überleben gekämpft, wurden von Grenzschützern illegal zurück geprügelt oder unter brutalen Bedingungen inhaftiert. Die Asylverfahren, die ihnen zustehen, wurden ihnen verwehrt und auch bei Lebensgefahr gab es keinerlei medizinische Versorgung.
Die gesamte Pressemitteilung der BafF-Zentren finden Sie hier:
Anlässlich des Internationalen Tag der Menschenrechte am 10.12.2022 möchten wir Sie auf zwei wichtige Themen aufmerksam machen.
Veranstaltungshinweis: Frauen, Leben, Freiheit - زن, زندگی, آزادی
Iran aktuell - Ein Podiumsgespräch mit Musik und Buffet in der JG Stadtmitte Jena geht dem Slogan der iranischen Frauen Revolution nach: زن, زندگی, آزادی – zu Deutsch Frauen, Leben, Freiheit.
Wann? Samstag, 10.12.2022, 17:00-22:00 Uhr Wo? JG Stadtmitte , Johanissstrasse 14, 07743 Jena
Seit die 22-jährige Jina Mahsa Amini im September im Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei zu Tode kam, kommt der Iran nicht zur Ruhe. Seit Wochen kommt es im ganzen Land zu Protesten, die oft von Frauen angeführt werden. Viele gehen unverschleiert auf die Straße oder verbrennen öffentlich ihre Kopftücher.
Was bedeutet diese neue Protestbewegung – für den Iran, aber auch für die deutsche Außenpolitik? Wie blicken die Menschen im Ausland auf die Proteste im Iran? Wer geht in Deutschland auf die Straße, um sich mit den Protesten im Iran zu solidarisieren? Und was erwartet die iranische Diaspora in Deutschland von der deutschen Politik?
Darüber wird in dieser Abendveranstaltung von der Initiative von Exil-Iraner*innen, iranischen Student*innen und geflüchteten Iraner*innen aus Jena mit Gästen diskutiert - Katharina König-Preuss (MdL) und Madeleine Henfling (MdL) und Vizepräsidentin im Thüringer Landtag.
Weitere Infos finden Sie hier und hier.
Auch wir von refugio thüringen e.V. sind in Gedanken bei den Menschen im Iran. Wir wissen, dass die Ermordung von Jina Mahsa Amini kein Einzelfall ist. Jeden Tag werden vor allem Frauen* und Mädchen*, aber auch Menschen jedes anderen Geschlechts, die sich für ihre Rechte einsetzen, ermordet. Die Diktatur im Iran geht brutal und willkürlich gegen die Demonstrant*innen vor, die ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn sie dort auf die Straße gehen. Es wurden bereits Todesurteile gegen iranische Demonstrant*innen ausgesprochen und durchgesetzt.
Und die Menschen dort machen trotzdem weiter: Sie werden laut, verschaffen sich Gehör und setzen sich (mit ihren Körpern) für Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung ein.
Es ist Zeit, dass auch wir hier Solidarität mit den Menschen im Iran bekunden, dass wir ihre Stimmen und ihre Forderungen weitertragen. Schon viel zu lange werden Frauen*, werden Minderheiten wie auch queere Menschen im Iran unterdrückt. Macht wird an Frauen*körpern verhandelt. Schon viel zu lange werden dort grundlegende Menschenrechte missachtet. Diese offensichtlichen Verstöße des iranischen Regimes gegen die Menschenrechte dürfen nicht ungestraft bleiben. Es geht um die Rechte der Frauen*, es geht um Leben, es geht um Freiheit.
Wir begrüßen den Bundesweiten Abschiebestopp in den Iran. Doch das ist in dieser Zeit noch lange nicht genug, denn es ändert nichts an den Realitäten, mit denen die Menschen im Iran aktuell konfrontiert sind. Eine Bundesregierung, die sich eine feministischere Außenpolitik auf die Fahne schreibt, hat aus diesem Grund eine Verantwortung ihren Handlungsspielraum im Sinne von realpolitischer Unterstützung der Menschen vor Ort zu erkennen und zu ergreifen.
Preisverleihung Flüchtlingsrat Thüringen e.V. – „Die Spitze des Eisberges“
Der Flüchtlingsrat Thüringen nimmt den internationalen Tag der Menschenrechte zum Anlass, um die "Spitze des Eisbergs" zu verleihen. Seit dem Jahr 2000 vergibt der Verein jährlich den Preis an Behörden, Institutionen oder Einzelpersonen, die herausragende Anstrengungen bei der Diskriminierung und Ausgrenzung von Geflüchteten unternommen haben. Besonders "gewürdigt" werden dabei vorauseilender Gehorsam, die exzessive Verletzung von Persönlichkeitsrechten sowie außergewöhnliche Bemühungen, die (rechtliche) Lage von Geflüchteten in Thüringen weiter zu verschlechtern.
In diesem Jahr geht der Preis an den Nordhäuser Landrat Matthias Jendricke. Landrat Jendricke schloss sich der populistischen Debatte um vermeintlichen Sozialtourismus ukrainischer Geflüchteter an und setzt sich für die Unterbringung von Schutzsuchenden in Massenunterkünfte ein.
Während in der Ukraine Menschen durch dauerhafte russische Angriffe ums Leben kommen, von der Stromversorgung abgeschnitten werden, bei Minustemperaturen stundenlang in Dunkelheit und Kälte ausharren müssen und dabei nie wissen können, ob der nächste Einschlag ihr zu Hause treffen wird, schürt der Nordhäuser Landrat Matthias Jendricke (SPD) die von Friedrich Merz angestoßene Debatte über den vermeintlichen Sozialtourismus ukrainischer Flüchtlinge. Ohne konkrete Belege verbreitet er das Narrativ vom Sozialbetrug durch Ukrainer*innen. Solche Äußerungen sind Gift für das gesellschaftliche Miteinander, verschieben den Fokus weg von den dringlichsten Aufgaben und bereiten den Boden für eine Radikalisierung des Diskurses. Dabei ist es gerade die besondere Verantwortung von Politiker*innen und lokalen Funktionsträger*innen sich deutlich gegen Ressentiments und Hetze gegenüber Geflüchteten auszusprechen, statt sie zu befeuern.
Es ist dabei nicht das erste Mal, dass Landrat Jendricke durch eine Politik auffällt, die auf Kosten von Asylsuchenden geht. War Nordhausen vor Jahren noch dafür bekannt, Geflüchtete überwiegend in Wohnungen, also dezentral unterzubringen, ging der Landkreis dazu über, Schutzsuchende verstärkt unter schlechten Bedingungen in Massenunterkünften zusammenzupferchen.
Weitere Infos finden Sie hier.
Nicht nur einmal im Jahr sagen wir unseren vielen ehrenamtlich Tätigen im Verein Dankeschön, aber heute besonders. Das Ehrenamt in unserem Verein ist sehr vielfältig. Viele, fast 100, engagieren sich als ehrenamtliche kultursensible Sprachmittler*innen und ermöglichen erst dadurch geflüchteten Menschen eine Beratung und Therapie in ihrer Muttersprache.
Kleine und manchmal auch größere Hürden sind im Alltag zu überwinden, Wege zu gehen, Ämter zu finden, deutsch zu lernen - auch dafür haben wir einen kleinen Pool an Aktiven. Und zu vergessen ist auch nicht die Vorstands- und Vereinsarbeit, ohne die wir, die hauptamtlichen Mitarbeitenden, nicht so gut unterstützen und viele geflüchtete Menschen diese Unterstützung nicht erhalten könnten. Dafür sagen wir heute allen Danke!
Jedes Jahr findet am 25. November ein Gedenk- und Aktionstag zur Bekämpfung von jeglichen Formen der Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen und Mädchen statt.
Offiziell eingeführt wurde dieser Tag 1999 durch die Vereinten Nationen.
Themen, die der Tag anspricht sind unter anderen: Zwangsprostitution, Sexualisierte Gewalt, Sextourismus, Vergewaltigung, Genitalverstümmelung, Häusliche Gewalt, Zwangsverheiratung, vorgeburtliche Geschlechtsselektion, weibliche Armut, Femizid …
REFUGIO Thüringen setzt sich im Rahmen des Projektes „Koordinierungs- und Beratungsstelle für Frauen mit Gewalterfahrung und queere Geflüchtete“ dafür ein, gemäß den Vorgaben der Istanbul-Konvention, auf die Entwicklung und Etablierung effektiver Schutzmaßnahmen sowie die Geltendmachung besonderer Schutzbedürftigkeit im Asylverfahren hinzuwirken.
Ziel ist außerdem, Empowerment und den Austausch zu Diskriminierungsmechanismen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zu fördern.
Am 20. November ist internationaler Tag der Kinderrechte – an diesem Tag wurde 1989 die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. In ihr wurden universelle Rechte beschlossen, die jedem Kind – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder sozialem Status zustehen.
Hier die wichtigsten Kinderrechte in Kurzform:
1. Gleichheit
Alle Kinder haben die gleichen Rechte. Kein Kind darf benachteiligt werden.
(Artikel 2)
2. Gesundheit
Kinder haben das Recht gesund zu leben, Geborgenheit zu finden und keine Not zu leiden.
(Artikel 24)
3. Bildung
Kinder haben das Recht zu lernen und eine Ausbildung zu machen, die ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht.
(Artikel 28)
4. Spiel und Freizeit
Kinder haben das Recht zu spielen, sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein.
(Artikel 31)
5. Freie Meinungsäußerung und Beteiligung
Kinder haben das Recht bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen und zu sagen, was sie denken.
(Artikel 12 und 13)
6. Schutz vor Gewalt
Kinder haben das Recht auf Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung.
(Artikel 19, 32 und 34)
7. Zugang zu Medien
Kinder haben das Recht sich alle Informationen zu beschaffen, die sie brauchen, und ihre eigene Meinung zu verbreiten.
(Artikel 17)
8. Schutz der Privatsphäre und Würde
Kinder haben das Recht, dass ihr Privatleben und ihre Würde geachtet werden.
(Artikel 16)
9. Schutz im Krieg und auf der Flucht
Kinder haben das Recht im Krieg und auf der Flucht besonders geschützt zu werden.
(Artikel 22 und 38)
10. Besondere Fürsorge und Förderung bei Behinderung
Behinderte Kinder haben das Recht auf besondere Fürsorge und Förderung, damit sie aktiv am Leben teilnehmen können.
(Artikel 23)
Weitere Informationen zu Kinderrechten für Kinder und Erwachsene, finden Sie/ihr hier:
Der Start des Bundesaufnahmeprogramms für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan wurde von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesaußenministerin Annalena Bearbock angekündigt. Das Verfahren weist allerdings große Lücken auf.
Das gesamte Statement der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer
e.V. (BAfF) dazu finden Sie hier:
https://www.baff-zentren.org/aktuelles/bundesaufnahmeprogramm-afghanistan/
Am 16.09.2022 verstarb Mahsa Amini im Krankenhaus, nachdem sie von der iranischen Sittenpolizei für das "unangemessene" Tragen ihres Hidschabs festgenommen und misshandelt worden war. Ihr Tod hat Proteste im ganzen Iran ausgelöst. Das Regime reagierte auf diese Proteste mit brutaler Unterdrückung, Verhaftungen und weiteren Tötungen.
Am 08.10.2022 gab es eine Kundgebung iranischer Student*innen auf dem Holzmarkt in Jena. Auch wir haben daran teilgenommen, um Solidarität mit den Menschen im Iran, die sich entschlossen der Diktatur entgegen stellen, zu bekunden. Unseren Redebeitrag können Sie hier nachlesen:
Der Verein refugio thüringen betreibt eine Fachberatungsstelle für Betroffene von Menschenhandel sowie ein Psychosoziales Zentrum für Geflüchtete und Überlebende von Folter hier in Thüringen. Wir begleiten und unterstützen traumatisierte und psychisch belastete Menschen, die Erfahrungen von Folter, Krieg, Menschenhandel, sexualisierter Gewalt und Diskriminierung erlebt und überlebt haben. Schon seit Beginn unserer Arbeit haben wir Klient*innen aus dem Iran – Menschen, die dort geboren und/ oder aufgewachsen sind, zum Teil mit, zum Teil ohne iranische Staatsbürger*innenschaft. Die Zahl ist in den letzten Jahren stark gestiegen.
Zu uns sind Menschen aus dem Iran gekommen, die nur aufgrund ihrer Teilnahme an Demonstrationen verhaftet, gefoltert und misshandelt wurden. Wir haben Menschen gesehen, die auch in Deutschland Angst haben, ihre Meinung laut zu sagen, da sie sich auch hier unsicher und verfolgt fühlen. Und wir erleben tagtäglich ein Asylsystem, dass diese Menschen oft unzureichend schützt.
Wir begrüßen den Abschiebestopp der Thüringer- und anderer Landesregierungen und schließen uns der Forderung nach einem bundesweiten Abschiebestopp in den Iran an. Gleichzeitig sind Abschiebungen schon immer ein Akt der Gewalt und menschenrechtswidrig. Und Abschiebungen in den Iran sind nicht erst seit drei Wochen unvertretbar. Wenn wir den Menschen im Iran und den Menschen aus dem Iran, die hier in Deutschland leben – ob mit oder ohne Fluchtgeschichte – zuhören, wissen wir das.
Doch Verhandlungen über die vermeintliche Vertretbarkeit von Abschiebungen sind zu diesem Zeitpunkt nicht genug. Sie ändern nichts an den Realitäten, mit denen die Menschen im Iran aktuell konfrontiert sind. Eine Bundesregierung, die sich eine feministischere Außenpolitik als in den letzten 16 Jahren auf die Fahne schreibt, hat aus diesem Grund eine Verantwortung ihren Handlungsspielraum im Sinne von realpolitischer Unterstützung der Menschen vor Ort zu erkennen und zu ergreifen.
Wir sind in Gedanken bei der Familie und den Freund*innen und Bekannten von Jina Mahsa Amini. Und gleichzeitig wissen wir, dass ihre Ermordung kein Einzelfall ist. Jeden Tag werden vor Allem Frauen* und Mädchen*, aber auch Menschen jedes anderen Geschlechts, die sich für ihre Rechte einsetzen, ermordet.
Schon viel zu lange werden Frauen*, werden Minderheiten wie auch queere Menschen im Iran unterdrückt. Macht wird an Frauen*körpern verhandelt. Schon viel zu lange werden dort grundlegende Menschenrechte missachtet. Und schon viel zu lange denken die Menschen hier, dass es sie nichts angeht.
Die Diktatur im Iran geht brutal und willkürlich gegen die Demonstrant*innen vor, die ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn sie dort auf die Straße gehen. Wer festgenommen wird, hat das Schlimmste zu befürchten – und das gilt für alle Menschen, die aufbegehren, unabhängig von sexueller Identität, sozialer Herkunft oder Alter. Und die Menschen dort machen es trotzdem: Sie werden laut, verschaffen sich Gehör und setzen sich mit ihren Körpern für Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung ein.
Es ist Zeit, dass auch wir hier Solidarität mit den Menschen im Iran bekunden, dass wir ihre Stimmen und ihre Forderungen weitertragen. Es geht um die Rechte der Frauen*, es geht um Leben, es geht um Freiheit.
Die Solidarität mit allen Menschen, die aus der Ukraine flüchten mussten, scheint ein trauriges Ende erreicht zu haben. Die Entrechtung und Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine werden sich ab dem 1. September 2022 weiter massiv verschärfen.
Die gesamte Pressemitteilung der BafF-Zentren finden Sie hier:
https://www.baff-zentren.org/aktuelles/stellungnahme-gleichbehandlung-ukrainerinnen/
Vor genau einem Jahr, am 15. August 2021, haben die Taliban die Macht in Afghanistan übernommen. Tausende ehemalige Ortskräfte und weitere gefährdete Menschen warten nach wie vor auf eine Evakuierung nach Deutschland, denn ihr Leben wird akut bedroht.
Die gesamte Pressemitteilung der BafF-Zentren finden Sie hier:
https://www.baff-zentren.org/wp-content/uploads/2022/08/Bilanz-Afghanistan_August-2022.pdf
Am 4. Juni 2006 nahm das Psychosoziale Zentrum (PsZ) für Geflüchtete und Überlebende von Folter REFUGIO Thüringen in Jena seine Arbeit auf; ins Leben gerufen von einer kleinen Gruppe Engagierter, die zwei Jahre zuvor den Verein refugio thüringen e. V. als Interessensvertretung für traumatisierte Geflüchtete gegründet hatte.
Schon vor dem starken Zuzug von Geflüchteten im Jahr 2015 war das PsZ für hunderte Klient*innen ein sicherer und vertrauensvoller Anlaufpunkt. Im Laufe der Jahre ist das Team nicht nur gewachsen, sondern auch seine Expertisen: Zu den zentralen Säulen Psychotherapie und Sozialarbeit kamen spezialisierte Kinder- und Jugend- sowie Körper- und Kunsttherapie hinzu. Professionalität, Kontinuität und Offenheit leiten die Arbeit des Zentrums. Inzwischen versorgen wir an zwei Standorten jährlich fast 250 Klient*innen aus über 30 Ländern.
Zusätzlich zur Versorgung der Klient*innen sensibilisiert das PsZ seit seinen Anfangstagen durch Schulungen und Vernetzungsveranstaltungen andere Institutionen für die Themen Flucht und Trauma und trägt somit zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in Thüringen bei.
So hat sich REFUGIO Thüringen über die Jahre allen Widrigkeiten zum Trotz als wichtigste und einzige Anlaufstelle für die psychosoziale Versorgung von Geflüchteten in Thüringen etabliert und ist nicht mehr wegzudenken.
Dies ist der Arbeit und Unterstützung vieler Menschen zu verdanken. Insbesondere dem Team des PsZ gebührt an dieser Stelle ein großer Dank für seinen stets unermüdlichen Einsatz, auch unter zeitweise schwierigen Bedingungen. Die unverzichtbaren Sprach- und Kulturmittelnden möchten wir ebenfalls erwähnen, denn erst durch sie werden die Angebote des Zentrums auch für die vielen Klient*innen zugänglich, die weder deutsch, englisch oder russisch sprechen.
Finanzielle Unterstützung erhalten wir vor allem durch das Land Thüringen sowie durch zahlreiche weitere Fördermittelgeber, denen unser Dank gilt. Außerdem gebührt ein großer Dank den Vereinsmitgliedern des refugio thüringen e. V., die mit ihren Mitgliedsbeiträgen und tatkräftiger Unterstützung die Arbeit des Vereins mittragen, ebenso wie den vielen Ehrenamtlichen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass wir uns immer über neue Mitstreiter*innen und neue Ideen freuen, von denen unsere Klient*innen profitieren können.
Wir sind immer bemüht, Bedarfe zu erkennen und mit tragfähigen Konzepten darauf zu reagieren. So wurde kürzlich eine Beratungsstelle für Betroffene von Menschenhandel – bekom thüringen – ins Leben gerufen. Ebenso haben wir ein zusätzliches Angebot für ukrainische Geflüchtete. Dieses und mehr ist auf der neu gestalteten Webseite www.refugio-thueringen.de.
In den letzten 16 Jahren haben wir viel geschafft. Neben Dank erfüllt uns das auch mit Freude und Stolz. Auf dieser Basis wollen wir aufbauen und weiter so viele Klient*innen wie möglich unterstützen.
Der Vorstand
Anlässlich der Frühjahrskonferenz der Innenminister*innen und -senator*innen 2022 in Würzburg fordert die BAfF einen Paradigmenwechsel im Umgang mit geflüchteten Menschen.
Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie eine gemeinsame europäische Asylpolitik aussehen kann: offene Grenzen, freie Wohnortwahl sowie der Zugang zu Bildung und dem Arbeitsmarkt. Darüber hinaus werden die Menschen aus der Ukraine in Deutschland ab dem 1. Juni 2022 mit Leistungen nach dem Hartz-IV-Satz versorgt. Das bedeutet den gleichwertigen Zugang zum Gesundheitssystem wie Patient*innen der gesetzlichen Krankenkassen und beispielsweise den Anspruch auf eine Psychotherapie. Die Menschen erleben darüber hinaus in der Gesellschaft eine große Hilfsbereitschaft.
Für geflüchtete Menschen aus sogenannten Drittstaaten oder Staatenlose, die ebenfalls aus und vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, gelten diese Regelungen rechtlich auch, doch gleichbehandelt werden sie nicht. Sie erfahren viel zu oft Diskriminierung, strenge Restriktionen und Pushbacks an den EU-Außengrenzen. Damit machen sie Erfahrungen wie viele andere Menschen aus Drittstaaten, die nicht aus der Ukraine kommen. Polen beispielsweise zeigt gegenüber Ukrainer*innen große Solidarität, verweigert aber andernorts Menschen aus Afghanistan oder Syrien den Grenzübertritt und ein faires Asylverfahren.
Auch Geflüchtete und andere Migrant*innen, die bereits in Deutschland leben, werden durch die gesetzliche Unterscheidung zu Ukrainer*innen diskriminiert: Die Einstufung in das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) verbietet die freie Wohnortwahl und verhindert den Zugang zum Bildungs- und Arbeitsmarkt. Auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für Menschen nach dem AsylbLG stark beschränkt und nur bei akuten Schmerzen unbürokratisch möglich.
Wir beobachten schon lange, dass Schutzsuchende in Deutschland nicht angemessen versorgt werden. Das Asylbewerberleistungsgesetz hindert Menschen daran, in Deutschland anzukommen, die Sprache zu lernen und ihr Leben aktiv zu gestalten. Dass es auch anders gehen kann, zeigt der Umgang mit ukrainischen Geflüchteten – ihre Besserstellung gegenüber anderen schutzsuchenden Menschen verletzt Gleichbehandlungs- und Menschenrechte. Es braucht jetzt einen anderen Umgang mit allen Geflüchteten, einen Paradigmenwechsel. Dieser ist möglich. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht, dazu gehört auch eine menschenwürdige und angemessene Unterbringung und Versorgung. Lukas Welz, Geschäftsleiter der BAfF e.V.
Die Psychosozialen Zentren in Deutschland bieten für geflüchtete Menschen Beratung und Therapie an. Jedoch gibt es seit Jahren in den Zentren einen ungedeckten Versorgungsbedarf, sodass kranke und traumatisierte Menschen oftmals keinen Behandlungsplatz erhalten können.
Laut Pramila Patten, UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt bei Konflikten, gibt es Berichte darüber, dass im Ukraine-Krieg sowohl Mädchen und Frauen als auch Jungen und Männer betroffen sind von sexualisierter Gewalt durch russische Soldaten. Sie unterstreicht, dass es für Frauen und Mädchen schwer ist, darüber zu sprechen, doch für Jungen und Männer sei es oft noch schwieriger, erlebte sexualisierte Gewalt zu berichten. Sie fordert, dass Schutzräume für alle Betroffene von sexueller Gewalt geschaffen werden.
Auch Männer Opfer von russischen Vergewaltigungen | Bild | 13.05.2022
Vergewaltigungen in der Ukraine: Die Waffe des Patriarchats | Berliner Zeitung | 07.05.2022
Russische Soldaten sollen auch Männer und Jungen vergewaltigt haben | Der Spiegel | 04.05.2022
Men and boys among alleged victims by Russian Soldiers in Ukraine | The Guardian | 03.05.2022
Der Körper als Schlachtfeld | nd | 26.04.2022
Lesen Sie hier weiter zu sexualisierter Gewalt an Jungen* und Männer*.
Der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung findet jährlich am 5. Mai statt. Dies ist außerdem der Europatag des Europarates. Mit der Zusammenlegung beider Tage soll gezeigt werden, dass alle Menschen europaweit gleichgestellt sein sollen.
Ins Leben gerufen wurde der Protesttag 1992 von der „Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland“, einer Behindertenbewegung nach US-amerikanischem Vorbild. Die Bewegung protestiert von Beginn an nicht nur lautstark gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, sondern hat eine konkrete Verfassungsänderung und ein Gleichstellungsgesetz zum Ziel.
Die gesetzliche Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung in Deutschland ist nämlich noch jung: Erst 1994 wird Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes um einen weiteren Satz ergänzt: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Damit ist das erste Ziel erreicht, das zweite folgt etwa acht Jahre später: Am 01. Mai 2002 tritt das sogenannte Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Das Gesetz soll unter anderem die Benachteiligung von behinderten Menschen beseitigen und verhindern, aber auch die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft gewährleisten. Ein weiterer Meilenstein ist die UN-Behindertenrechtskonvention, die 2006 beschlossen und seit 2009 in Deutschland umgesetzt wird.
Nach den verfassungsrechtlichen Erfolgen widmet sich die Bewegung mittlerweile verstärkt gesellschaftlichen Themen wie Inklusion. Dazu passt auch das diesjährige Thema des Protesttages: "Tempo machen für Inklusion – barrierefrei zum Ziel!"
Denn trotz der Fortschritte und Verdienste der Behindertenbewegung ist die Vision von Inklusion in Deutschland noch längst keine Realität.
Teilhabe kann nur mit umfassender Barrierefreiheit gestaltet werden. Mangelnde Barrierefreiheit ist eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung. Barrierefreiheit entsteht im Denken und Handeln.
Auch geflüchtete Menschen sind mit viele Barrieren konfrontiert. "Die Versorgung von geflüchteten Menschen mit Behinderung in Thüringen ist miserabel!", konstatiert der Flüchtlingsrat Thüringen zum europäischen Protesttag für Menschen mit Behinderung am 5. Mai 2022 und fordert ein adäquates System zur bedarfsgerechten Versorgung und Unterbringung von geflüchteten Menschen mit Behinderung. Zuletzt machten mehrere Betroffene Diskriminierungserfahrungen in der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl, die dort monatelang ausharren müssen, bis ein barrierefreier Wohnraum für sie in einem Thüringer Landkreis/ kreisfreien Stadt gefunden wird.
Lesen Sie hier mehr dazu von Flüchtlingsrat Thüringen.
08.03.2022
Der 8. März ist Internationaler Frauen*tag. Seit über 100 Jahren wird an diesem Tag weltweit die Rechte von Frauen* und Queers und bestehende Diskriminierungen aufmerksam gemacht und für die Gleichstellung von Geschlechtern gekämpft.
Frauen* & Queers werden weltweit nach wie vor stark benachteiligt. Und das obwohl sie zumeist deutlich massiver von Armut, Hunger und mangelnder Gesundheitsversorgung betroffen sind. Frauen*, Mädchen* und Queers sind z.B. im erhöhten Maß von sexualisierte Gewalt und Übergriffen betroffen. Weltweit erlebt jede dritte Frau* und/oder queere Person im Laufe ihres Lebens Gewalt. Es gibt zahlreiche Formen von Gewalt, welche vorwiegend Frauen* betreffen. FGM/C, Zwangsverheiratung etc. sind nur Beispiele von solchen Gewalterfahrungen, welche auch in unserer Arbeit eine große Rolle spielen.
Die Benachteiligung von Frauen* und Queers geht jedoch weit über individuelle Erfahrungen hinaus und ist strukturell verankert. Deutlich wird das zum Beispiel in Asylverfahren, in denen die massiven Gewalterfahrungen, z.B. durch FGM/C nicht oder nur ungenügend betrachtet werden, wodurch sich die prekäre Lage der betroffenen, schutzbedürftigen Personengruppe verschärft.
Die strukturelle Benachteiligung wird vor allem auch dadurch sichtbar, dass obwohl alle Geschlechter gesetzlich gleichgestellt sind in Deutschland, die praktischen Lebensrealitäten von diesem Bild abweichen. Die Frage, wer sich um die Kinder kümmert, wer andere Menschen pflegt – bezahlt, wie unbezahlt – ist eine gesellschaftliche Frage. Allzu häufig werden diese Aufgaben von Frauen* übernommen ohne, dass sie angemessen für diese wichtige Arbeit gewürdigt oder entlohnt werden. Für Frauen* mit Fluchterfahrung potenziert sich diese Ungleichheit. Wer sich um die Kinder kümmert, kann vielleicht nicht zum Sprachkurs oder Lohnarbeiten gehen – Aspekte, die auch aufentshaltrechtlich Relevanz aufweisen.
In Jena organisieren sich, wie jedes Jahr, zahlreiche Frauen* und Queers am 8. März um auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Unter dem Titel
Überbelastet, Ungesehen, Un(ter)bezahlt. Gemeinsam gegen Patriarchat und Kapitalismus
gehen Menschen deutschlandweit auf die Straße! Zwei Jahre Pandemie und Jahrzehnte Pflegenotstand & Abbau der Sozialsysteme zeigen 2022 deutlich: Sorgearbeiten – ob bezahlt oder unbezahlt, für junge oder ältere Menschen, für gesunde oder kranke Menschen, für Menschen mitten aus der Gesellschaft oder an den Rand gedrängte – Sorgearbeit ist relevant für alle Menschen und sie ist Überbelastet, Ungesehen, Un(ter)bezahlt.
* Der Asterisk verdeutlicht die geschlechtliche Vielfalt aller Menschen.
In der Erklärung der 47 Mitgliedszentren der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) vom 18. November 2021 sind Forderungen an die künftige Bundesregierung formuliert. Die Erklärung im genauen Wortlaut finden Sie hier.
Auch wir haben diese Erklärung mitgezeichnet und unterstützen die Forderungen.